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Energieeffizienz im Handwerk & EU-Politik – Was tut der ZDH Brüssel?
Interview mit Katrin Lützenkirchen, Referatsleiterin für Umwelt- und Klimapolitik, ZDH Brüssel
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MIE:
Frau Lützenkirchen, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Warum ist denn das Thema Energieeffizienz auf EU-Ebene für das Handwerk so zentral – und welche Rolle spielt der ZDH in Brüssel dabei?

Katrin Lützenkirchen:
Energieeffizienz ist eines der bedeutendsten Regulierungsthemen der EU – mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Handwerk. Brüssel setzt die Standards, etwa für Gebäude oder Produkte, die dann in der betrieblichen Praxis relevant werden. Zwei besonders einflussreiche Gesetzesinitiativen sind die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und die neue Ökodesign-Verordnung.
Im Gebäudebereich betrifft das Handwerk doppelt: als Umsetzer von Sanierungsmaßnahmen und als Eigentümer von Betriebsgebäuden. Die Ökodesign-Verordnung wiederum erweitert die Produktregulierung über die Energieeffizienz hinaus – auf Aspekte wie Nachhaltigkeit, Reparierbarkeit und Transparenz, etwa durch einen digitalen Produktpass.
Der ZDH Brüssel setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass solche Regelungen mit Blick auf die Realität kleiner und mittlerer Betriebe ausgestaltet werden. Dazu gehören Stellungnahmen, Gespräche mit den EU-Institutionen und die Einbindung unserer Expertise in Gesetzgebungsprozesse.

MIE:
Sind EPBD und Ökodesign-Verordnung derzeit Ihre wichtigsten Dossiers – und wo sehen Sie Spielräume zugunsten des Handwerks?

Katrin Lützenkirchen:
Ja, beide Prozesse sind im Fokus unserer Arbeit. Die EPBD befindet sich in der Umsetzung: Sie muss nun in nationales Recht übertragen werden. Dabei sind viele Details – wie etwa die Berechnung energetischer Anforderungen – noch nicht abschließend definiert. Diese werden durch sogenannte delegierte Rechtsakte und Leitlinien auf europäischer Ebene konkretisiert.
Ähnlich ist es bei der Ökodesign-Verordnung, die als Rahmengesetz nun mit produktspezifischen Anforderungen gefüllt wird. Dabei geht es etwa um die Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsindikatoren oder den digitalen Produktpass.
In beiden Fällen nutzen wir jede Möglichkeit, praxisferne oder überzogene Anforderungen abzufedern. Gerade kleine Betriebe oder Hersteller von Unikaten dürfen nicht durch Vorgaben belastet werden, die für industrielle Massenfertigung gedacht sind.

MIE:
Wie bringt sich der ZDH konkret in solche Verfahren ein?

Katrin Lützenkirchen:
Wir begleiten die politischen Prozesse von Anfang an – oft schon, bevor überhaupt ein offizieller Gesetzesentwurf vorliegt. Frühzeitige Stellungnahmen, gezielte Beteiligung an Konsultationen und Gespräche mit Brüsseler Akteuren gehören dazu.
Im parlamentarischen Verfahren entwickeln wir Argumentationshilfen für Abgeordnete und Mitgliedstaaten, sprechen mit Fachreferaten und begleiten die oft entscheidende Trilog-Phase, in der Parlament, Rat und Kommission den finalen Gesetzestext aushandeln.
Ein gutes Beispiel ist die EPBD: Ursprünglich war darin eine verpflichtende Sanierungspflicht für das einzelne Gebäude geplant – das hätte die Auftraggeber überfordert. Wir konnten uns erfolgreich dafür einsetzen, dass stattdessen nun Durchschnittswerte für den Gebäudebestand maßgeblich sind. Auch bei der Ökodesign-Verordnung haben wir Ausnahmen für handwerkliche Kleinserien erreicht. Solche Erfolge sind nur durch frühzeitige und kontinuierliche Einflussnahme möglich.

MIE:
Die Sprache der EU-Politik ist oft abstrakt. Wie gelingt es dem ZDH, diese Prozesse greifbar zu machen?

Katrin Lützenkirchen:
Der Dialog mit der Handwerksorganisation ist für uns zentral. Wir informieren Kammern und Fachverbände über neue Entwicklungen – sei es über Rundschreiben, Fachgespräche oder Hintergrundanalysen. Gleichzeitig sammeln wir Rückmeldungen aus der Praxis, um diese gezielt in Brüssel einzubringen.
Ein wichtiges Element ist auch die zielgruppengerechte Aufbereitung: Technische Details müssen genauso verständlich vermittelt werden wie politische Zusammenhänge. Denn nur wenn das Handwerk versteht, worum es geht, kann es sinnvoll reagieren – und mitgestalten.

MIE:
Wie wichtig ist dabei die Zusammenarbeit mit Partnern – national wie europäisch?

Katrin Lützenkirchen:
Enorm wichtig. Der ZDH Brüssel ist nicht nur Sprachrohr, sondern auch Übersetzer – zwischen EU-Politik und betrieblicher Realität. Damit wir diese Rolle überzeugend erfüllen können, brauchen wir den engen Austausch mit den Fachverbänden, Innungen und Betrieben.
Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene unverzichtbar. Deutschland ist in Brüssel nur einer von 27 Mitgliedstaaten – das heißt: Ohne Bündnisse gibt es kaum Gehör. Über unseren europäischen Dachverband SMEunited bringen wir gemeinsame Positionen mit anderen Handwerks- und KMU-Verbänden ein. So entsteht eine stärkere Stimme für kleine Betriebe – über Ländergrenzen hinweg. Auch die europäischen Fachverbände der einzelnen Gewerke spielen dabei eine wichtige Rolle.

MIE:
Wenn Sie auf die kommenden Jahre blicken – wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen im Bereich Energieeffizienz?

Katrin Lützenkirchen:
Ich blicke mit einer Mischung aus Begeisterung und Sorge auf die vergangenen und kommenden Entwicklungen. Die EU hat mit dem Green Deal, der EPBD und der Ökodesign-Verordnung einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gemacht – und das ist grundsätzlich zu begrüßen. Energieeffizienz ist ein entscheidender Baustein für den Klimaschutz, und es ist richtig, dass die EU hier mit Nachdruck vorangeht.
Aber die Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele wird anspruchsvoll – gerade für kleinere Betriebe. Viele Maßnahmen erfordern erhebliche Investitionen, etwa im Gebäudebereich. Hier wird sich zeigen, ob die ambitionierte Gesetzgebung auch praxistauglich ist.
Mit Beginn der neuen Legislaturperiode sehen wir jedoch auch neue Chancen. Die EU setzt stärker auf Wettbewerbsfähigkeit, Bürokratieabbau und eine stärkere Industriepolitik. Das bietet Möglichkeiten – aber wir müssen darauf achten, dass nicht nur die großen Industriebetriebe profitieren, sondern auch das Handwerk.
Wir werden uns in Brüssel weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Energie- und Klimapolitik wirtschaftlich tragfähig bleibt – und das Handwerk als Lösungspartner nicht überfordert, sondern gestärkt wird.

MIE:
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lützenkirchen!


Das Interview führte:
Mario Schleiting (ZDH),
Projektleiter Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz (MIE)

©: ZDH / Aurore Delsoire